Montag, 22. Juli 2013

Goethe am 22. Juli 1831

Dem Weimarer Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe fiel im Greisenalter nichts Besseres ein, als in sechsjähriger zäher Arbeit sein poetisches Lebenswerk um eine goldene Kuppel zu ergänzen: um die in 7497 Zeilen altmeisterlich verbauten 45045 Wörter des zweiten Teils seiner "Faust"-Tragödie. Dann hatte der glückliche 82-Jährige "das Hauptgeschäft zustande gebracht" (Tagebuch), und "mein ferneres Leben kann ich nunmehr als ein reines Geschenk ansehen, und es ist jetzt im Grunde ganz einerlei, ob und was ich noch etwa tue" (Eckermann-Gespräche). Als letzten schrieb er übrigens den vierten der fünf Akte, weil der sich nach dem fünften "wie von selber machen" ließ.

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BILD
Carl August Schwerdgeburth: Goethe mit 82

WEBLINK
Andreas Göbel: Goethes Faust in Zahlen

LITERATUR
Theodor Friedrich & Lothar J. Scheithauer (1959): Kommentar zu Goethes Faust; Reclam

Mittwoch, 17. Juli 2013

Stalin am 17. Juli 1945

Am 17. Juli 1945 beginnt in Potsdam die Konferenz der Hauptalliierten des Zweiten Weltkriegs über die Nachkriegsordnung im besiegten Deutschland mit einem raffinierten Eröffnungszug von Josef Stalin (66), des Vertreters der Sowjetunion: er schlägt den amerikanischen Teilnehmer, den neuen US-Präsidenten Harry S. Truman (61), als Vorsitzenden vor, welche "Ehre" dieser nicht ausschlägt. So erreicht Stalin, dass sich Truman teils als Moderator versteht und dadurch die Position der beiden westlichen Verhandlungspartner geschwächt wird, besonders die des britischen Premierministers Winston Churchill (70). Bereits dessen Terminansetzung der Dreimächtekonferenz hat er um Wochen hinausgezogen, sodass russischerseits mittlerweile vollendete Tatsachen zur deutschen Ostgrenze geschaffen sind.

(100/791)

WIKIPEDIA
Potsdamer Konferenz

FOTO (Bundesarchiv)
Stalin, Truman und Churchill während einer Verhandlungspause

Dienstag, 16. Juli 2013

Eli

"Eli" ist bei Juden und Kurden ein gängiger männlicher Vorname, der dem arabischen "Ali" entspricht. Zugrunde liegt "El", das semitische Wort für Gott. Dieses ist Bestandteil vieler biblischer Namen: Daniel, Gabriel, Michael ... Auch etwa in "Elia" und "Elisabeth" ist es enthalten. Jesu Psalmwort am Kreuz – "Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" – haben viele Bibelübersetzungen in der hebräisch-aramäischen Form beibehalten: "Eli, Eli, lama sabachthani". Der arabischen Gottesbezeichnung "Allah" entspricht im Hebräischen "Eloah". Die Bibel bevorzugt allerdings die majestätische, Gottes Machtfülle betonende Mehrzahlbildung "Elohim", den Ehrentitel, der an einer Stelle (Buch Exodus 4,16) auch Moses zugesprochen ist.

(100/731)

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Bibel-Lexikon: Eli

WIKIPEDIA
Allah, Eli, Sieben Letzte Worte

QUELLEN
Bibelausgaben

Freitag, 12. Juli 2013

Richard Wagner am 12. Juli 1840

Die Revue e Gazette Musicale veröffentlicht, ins Französische übersetzt, Wagners Aufsatz "Über deutsches Musikwesen". Das Zeilengeld für den mehrseitigen Artikel hat der 27-jährige Schuldenflüchtling dringend nötig. Einnahmen aus seinem frühen Opernschaffen sind noch Zukunftsmusik. Der "Rienzi" steht am Zufluchtsort Paris immerhin kurz vor der Fertigstellung; der "Holländer" geistert einstweilen nur im seenotgeprüften Kopf herum. Heinrich Heine nachgeeifert, glückt das journalistische Zwischenspiel stilistisch durchaus. Freilich setzt auch die künstlerische Selbstherrlichkeit so manche Duftmarke. Im Aufsatz streben Deutsche und Franzosen zwar Seite an Seite neuen dramatisch-musikalischen Höhen entgegen, aber das können nur taktvoll-taktische Zugeständnisse an das Gastland des dabei einzigen Gipfelstürmers sein.

(100/822)

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Stefanie Heins Zusammenfassung des Wagner-Aufsatzes

LITERATUR
  • Martin Gregor-Dellin (1980): Richard Wagner. Sein Leben – Sein Werk – Sein Jahrhundert
  • Martin Gregor-Dellin (1972): Wagner Chronik. Daten zu Leben und Werk
  • Stefanie Hein (2004): Richard Wagners Kunstprogramm im nationalkulturellen Kontext
  • Dieter David Scholz (2006): Richard Wagner. Eine europäische Biographie

Donnerstag, 4. Juli 2013

Heisenberg am 10.4.1927

Am 10. April 1927 erscheint in dem Berliner wissenschaftlich-technischen Nachrichtenblatt "Forschungen und Fortschritte" ein anderthalbspaltiger Artikel von Werner Heisenberg. Der junge Physiker dokumentiert darin – ohne Formeln und Fachchinesisch – den Ertrag einer monatelangen Diskussion mit seinem Kopenhagener Kollegen Niels Bohr. Es geht um "die Grundprinzipien der Quantenmechanik", jener physikalischen Teildisziplin, die den kleinsten in der Natur vorkommenden "Massen" nachspürt. Deren Verhalten bei einschlägigen Experimenten sei so geartet, dass die Wissenschaftler zu dem Schluss gelangen müssten: wir können nichts absolut zuverlässig voraussagen; denn dafür lassen sich keine hinlänglich genauen Ausgangsdaten ermitteln. Das Gesetz von Ursache und Wirkung sei gegenstandslos geworden.

(100/799)

QUELLE
Werner Heisenberg: Gesammelte Werke, Abteilung C, Band I (Physik und Erkenntnis 1927-1955); Piper 1984 (Seite 21)

WIKIPEDIA

Mittwoch, 3. Juli 2013

Weber 21.4.1893 bis 20.4.1894

Der 29-jährige Max Weber verlobt sich mit Marianne Schnitger (23) und heiratet sie am 20. September 1893. Die Hochzeit findet bei den Schwiegereltern in Oerlinghausen bei Bielefeld statt. Es ist eine Großfamilienfeier; denn Braut und Bräutigam sind weitläufige Verwandte. Marianne zieht zu ihm nach Berlin, wo er zum außerordentlichen Professor für römisches Recht und Handelsrecht ernannt worden ist. Allerdings liegt sein Interessenschwerpunkt derzeit auf der Nationalökonomie, zu welcher er eine Abhandlung über die Börse beiträgt. Praktisch-national engagiert er sich im Alldeutschen Verband. Dort teilt er die Sorge wegen polnischer Wanderarbeiter, die als Ersatz für die bäuerlichen deutschen Amerika-Emigranten inakzeptabel erscheinen. 

(100/742)

WEBLINKS

QUELLEN
Hans Norbert Fügen (1985): Max Weber; Rowohlt 
Lexikon linker Leitfiguren; Büchergilde Gutenberg 1988

Dienstag, 2. Juli 2013

Kafka 3.7.1913 bis 2.7.1914

30-jährig ist er in seinem "Brotberuf" bei der böhmischen Arbeiter-Unfallversicherungsanstalt als Vizesekretär einer von drei Vertretern eines leitenden Angestellten. In seinem Traumberuf, dem kafkaesken Schreiben, besteht einstweilen die Leserschaft fast immer nur aus einer einzigen Person: Felice Bauer. Der umfangreiche Briefwechsel, meist zwischen Prag und Berlin, mündet am 1. Juni 1914 fürs Erste in Kafkas familiäre Verlobungsfeier mit der 27-Jährigen – in das Versprechen eines trauten Bunds ohne körperliche Nähe. Literarisch flankiert den "Korrespondenzroman" (Theweleit) bis dahin lediglich das Tagebuch, welches trotz seiner Ausführlichkeit das weltbewegende Ereignis vom 28. Juni völlig unerwähnt lässt: die Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgerpaars in Sarajevo.

(100/792)

WIKIPEDIA

QUELLEN
Kindlers Neues Literatur Lexikon (1988-1992)
Klaus Wagenbach: Franz Kafka; Rowohlt

Überwachung ist besser

Wie doch immer nur spezifisch Neues geschieht: die Welt wird von den jeweils Herrschenden so verändert, dass sie einem totaler und totaler verwaltet vorkommen kann, gerade auch als offene Gesellschaft. Selbst Herrschaftsfreiheit ist ein Herrschaftsanspruch. Keine Aufklärung, ohne dass sich die Schere des Wissens-alias-Macht-Vorsprungs weiter öffnet. Bestinformiert bleibt das ambitionierteste Führungsteam. Diesbezüglich haben wir eine Mehrheit von Verlierern immer unter uns, ganz gleich, welcher Clan, welche Clique, welche Volksvertretung gerade die Oberhand gewonnen hat. Als Beobachter der genutzten Kontrollmöglichkeiten hat man unter Umständen die Wahl, sich als ohnmächtig-moralische Instanz zu profilieren oder an einem Kanzlergatter rüttelnd den Schröder zu geben.

(100/776)

ZITAT
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!
(Frei nach Lenin)

Montag, 1. Juli 2013

2013-06 / Zeitgeschehen im Juni

Wie der flüchtige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden an Pressevertreter verrät, sind sowohl amerikanische als auch britische Überwachungsprogramme in Betrieb, mit denen unter dem Vorwand der globalen Terrorismusbekämpfung die Kommunikation der Internetnutzer in aller Welt gespeichert und ausgespäht wird. – In der türkischen Metropole Istanbul macht sich bei Protesten gegen die konservativ-islamische Politik der Regierung Erdogan eine außerparlamentarische Opposition für demokratische Verhältnisse nach westlichem Vorbild lautstark bemerkbar. – In Rio de Janeiro kommt es gelegentlich eines internationalen Fußballturniers (FIFA-Konföderationen-Pokal) zu Bürgerprotesten, bei denen Hunderttausende von Demonstranten das Missverhältnis der Milliardeninvestitionen für Sportstätten (FIFA WM 2014) zur unzulänglichen brasilianischen Gesundheits- und Sozialpolitik anprangern.

(100/883)

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