Sonntag, 31. März 2013

Saint Kitts und Nevis

Saint Kitts und das halb so große Nevis gehören zu den Kleinen Antillen im Osten der Karibik. Die beiden Vulkaninseln "über dem Winde" sind nur drei Kilometer voneinander entfernt. Auf einer Gesamtfläche von knapp 270 Quadratkilometern leben gut 50.000 Menschen, meist Nachkommen schwarzafrikanischer Sklaven. Der seit 1983 unabhängige Staat mit der Hauptstadt Basseterre ist Mitglied des britischen Commonwealth. Auf Nevis, wo übrigens Alexander Hamilton, Mitbegründer der USA, geboren wurde, gibt es Bestrebungen, sich politisch von Saint Kitts abzuspalten. Eine Wirtschaftsgemeinschaft (OECS) besteht mit fünf weiteren ostkaribischen Staaten: Antigua und Barbuda, Dominica, Grenada, Saint Lucia, Saint Vincent und die Grenadinen.

(100/732)

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LITERATUR
  • Der neue Fischer Weltalmanach 2013

Nur mit dem Höchsten im Bund (1. Mose 14)

Bei einer Schlacht am Toten Meer, an welcher neun Könige beteiligt waren, stand Sodom auf der Verliererseite, und bei der anschließenden Plünderung der Stadt gehörte Lot zu den Verschleppten. Als Abram davon erfuhr, eilte er mit einer Schar nach Kanaan, um seinen Neffen zu befreien. Er machte große Beute bei den Feinden, ohne etwas davon für sich behalten zu wollen; denn ihm widerstrebte es, von Gnaden des Königs von Sodom reich gemacht zu werden. Aber er erhielt den Segen des im Königstal zelebrierenden Jerusalemer Priesterkönigs Melchisedek und gab diesem Diener "Gottes des Höchsten" ein Zehntel dessen, was ihm zugefallen war.

(100/636)

QUELLE
Bibel, Buch Genesis, Kapitel 14 

Ist Gott am wichtigsten?

Vieles ist und geschieht, Gutes und Böses. Von Gott kommt alles Gute, und Gott erleidet alles Böse. Das ist sein Wesen. Wo irgendein Wesen leidet, leidet Gott. Das Leiden Gottes ist das Gute im Bösen. Das Erlittene ist nicht gut, aber durch das Leiden kann alles gut werden, und durch das Leiden Gottes ist alles Gute vollbracht. Das Zeichen des Guten im Bösen ist das Kreuzzeichen. Ein Gott, der in dieser Welt nicht litte, wäre kein Gott für die Leidenden. Er wäre kein guter Gott, sondern ein Abgott. Weil Gottes Wesen durch und durch gut ist, ist er der Gekreuzigte.

(100/570)

ZITAT
Nur ein Gott kann uns retten.
(Martin Heidegger, Spiegel-Gespräch)

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Freitag, 29. März 2013

Beethoven 1805 (op. 57)

Der 34-Jährige widmet seine dreiundzwanzigste Klaviersonate (op. 57) dem ungarischen Grafen Franz von Brunswick, Bruder der "unsterblichen Geliebten" Josephine, in dessen Schloss er das "leidenschaftliche" Werk ("Appassionata") größtenteils auch komponiert. Es ist das f-Moll-Gegenstück zur ähnlich mächtigen "Waldsteinsonate" (Nr. 21, C-Dur, op. 54). Wie zumeist, arbeitet Beethoven gleichzeitig an mehreren Werken, darunter an der Oper "Fidelio". Die Appassionata kann nicht nur wegen der auf die Fünfte Symphonie verweisenden Klopfzeichen als "Schicksalssonate" charakterisiert werden. Ohne den wunderbar Atem holenden Mittelsatz (in Des-Dur) – doch warum nicht auch mit ihm – mag sie als Vertonung des unheimlich starken Abgangs eines Scheiternden wirken.

(100/759)

Alles ist der Obhut des Menschen anvertraut (Franziskus I.)

Das missverständliche Bibelwort "Macht euch die Erde untertan" (Genesis 1,28) ist keine Anstiftung zur Willkürherrschaft eigenmächtiger Menschen über die Natur, sondern eine Verpflichtung derjenigen Menschen, welche die Güte und Liebe Gottes erfahren haben, zur Orientierung an dieser Güte und Liebe im Umgang mit der übrigen Schöpfung. Der gute und liebevolle Umgang miteinander ist dabei vorausgesetzt. Und der gute und liebevolle Umgang mit sich selbst wie mit Gott natürlich auch. Es geht um eine Art der Beziehung, die jedem Unten und Oben das Unheilvolle nimmt. Es geht um das behütende und rettende Verhalten unter allen Umständen. So will uns Gott.  

(100/656)

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Seid Hirten mit dem Geruch der Schafe (Franziskus I.)

Als Gottes Geschöpfe sind alle Menschen dazu bestimmt, messianische Menschen zu werden, Menschen wie Jesus Christus, Gesalbte Gottes. Um diesen Heilsplan zu erfüllen, wählt Gott priesterliche Menschen aus, Söhne und Töchter Gottes wie Jesus Christus, geweiht mit einem Chrisam, einem Salböl, das sie nicht für sich behalten, sondern verwenden, um dem Wohl ihrer Mitgeschöpfe, in erster Linie dem der Notleidenden, zu dienen. Die Auserwählten bekleiden ein Hirtenamt, in welchem sie sich verpflichtet fühlen, mitten unter den Schafen und auf der Suche nach Verlorenen ihr Bestes zu geben. Das mag Menschen überfordern, aber es ist Gottes Auftrag, und sein Wille geschieht.

(100/671)

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Donnerstag, 28. März 2013

Beethoven 1783 (WoO 108)

Für ein Neugeborenes vertont der gerade 13 Jahre alt gewordene Beethoven das Gedicht "An einen Säugling". Den Text der vier vierzeiligen Strophen hatte Johann von Döhring (?) abgefasst. Es geht darin um die namenlose "Pflegerin", die das Kind erst nach geraumer Zeit als seine Mutter wahrnimmt, wie um den unbekannten "Geber", dessen göttliche Natur sich erst dem im Glauben Gewachsenen offenbart. Das Lied für Singstimme und Klavier ist in A-Dur komponiert und wird 1784 veröffentlicht. Sein junger Schöpfer genießt seit zwei Jahren die Förderung des Bonner Hoforganisten Christian Gottlob Neefe (36), der ihm zutraut, ein zweiter Mozart (28) zu werden.

(100/654)

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Mittwoch, 27. März 2013

Eine Buchempfehlung zum Risiko des Lebens

Wir können den komplizierten Ausdruck "Antifragilität", wofür Nassim Nicholas Taleb im Englischen kein einfacheres Wort fand, im Deutschen mit "Aufbrechbarkeit" wiedergeben. Allerdings nur, wenn wir darunter das Gegenteil von "Zerbrechlichkeit" verstehen wollen, und zwar in einem ähnlichen Sinn, in dem wir Empfindlichkeit und Empfänglichkeit für gegensätzliche Weisen halten, wie Unerwartetes bei einem Adressaten ankommen kann. Taleb gewann als Finanzmathematiker Einsichten, die er jetzt lebensphilosophisch ausschöpft: Unsere Sensibilität ist zu aufbruchsbereit, um alles einem übervorsichtigen "Fragilismus" zu opfern. Im Buch wird das an einem großen und bunten Panorama des gesellschaftlichen Lebens aufgezeigt. Und zwar dem sperrigen Titel zum Trotz erfreulich ansprechend.

(100/782)

DAS BUCH
Nassim Nicholas Taleb: Antifragilität. Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen. Aus dem Englischen (Antifragile. Things That Gain from Disorder) von Susanne Held; Knaus 2013; Shop

Wie man Sport treiben kann

Man kann Sport treiben ohne Partner (geschweige Gegner), ohne Trainer (geschweige Verein), ohne Publikum (geschweige Massenmedien), ohne Markenartikel (geschweige Sponsoren), ohne Geld (geschweige Honorar), ohne irgendwelche besonderen (geschweige kommerziellen) Sportstätten, ohne besondere Ernährung (geschweige Doping), ohne sich mehr als normal anzustrengen (geschweige auf Rekordjagd zu gehen) und so weiter. Das alles hat nicht unmittelbar etwas mit Sport zu tun. Man muss gar nicht als Sportler auffallen, während man Sport treibt. Der Unterschied zum Nichtsportler ist kaum merklich. Ja, man könnte sich als Sportler ständig so unscheinbar unter lauter Nichtsportlern bewegen wie ein Spion mit perfekter Tarnung. Ist das nicht Weltklasse?

(100/746)

Ist das Stören am wichtigsten?

Funktionierendes wird durch anders Funktionierendes mehr oder weniger gestört. Störungsfreiheit ist utopisch. Störungen möglichst einzudämmen, muss nicht die optimale Strategie sein. Störungen freien Lauf zu lassen, ist vielleicht genauso gut oder noch besser. Wie überhaupt Gelassenheit der Weisheit letzter Schluss sein könnte. Alles Wirkliche ist durch und durch eine gestörte Störung. Für jede Störung, die wir beheben wollen, wollen wir eine Störung sein, die wiederum an anderer Stelle behoben werden will. Alle wollen dasselbe. Aha, dann sind wir Gleichgesinnte! Dann kann es also im Sinn von uns allen sein, möglichst gut miteinander und überhaupt mit allem umzugehen – beim Stören.

(100/690)

ZITAT
Störungen haben Vorrang.
(Schwäbisch/Siems, Anleitung zum sozialen Lernen)

Dienstag, 26. März 2013

Wagners Ring – Walküre 2.3

Nur mit großer Mühe ist Sieglinde von Siegmund auf einer wilden Flucht aufzuhalten und zu einer Verschnaufpause zu bewegen. Die Wälsungen-Zwillinge werden in einigem Abstand von Männern und Hunden verfolgt. Im Fieber erklärt Hundings ehebrecherische Frau dem Geliebten, dass sie wegen ihrer Zwangsehe seiner nicht würdig wäre. Der jedoch beruhigt sie mit dem nahenden Ende des Vergewaltigers dank der entscheidenden Hilfe des Schwertes Nothung. Daraufhin wiederum faselt Sieglinde etwas von stürzender Esche, brechendem Stamm und dem Unbrauchbarwerden der Waffe Siegmunds. Dann fällt sie in Ohnmacht. Aneinandergeschmiegt verweilt das Paar auf dem Rastplatz, während die Jagdhörner immer deutlicher zu vernehmen sind.

(100/717)

QUELLE
Richard Wagner: Die Walküre, Zweiter Aufzug, Dritte Szene

Unterscheidung der Geister von Onkel und Neffe (1. Mose 13)

Aus Ägypten zurück, wird Abram immer reicher an Zuchtvieh. Auch die Herden von Lot wachsen stetig, so dass das gemeinsame Weideland knapp und das Nebeneinander ihrer Hirten zum Gegeneinander wird. Der Beter Abram kann sich den Streit nicht lange ansehen und schlägt Lot vor, weiteres Land voneinander getrennt zu erschließen. Der Ältere lässt dem Jüngeren die Wahl, und Lot sichert sich die größere und fruchtbarere Jordangegend. Er zieht mit allem, was er hat, bis nach Sodom. Abram begnügt sich mit dem kleineren Teil, ihm wird aber von Gott alles Land im weiteren Umkreis verhießen, wo eine zahlreiche Nachkommenschaft gedeihen könne.

(100/637)

Wagners Ring – Walküre 2.2

Die Vormachtstellung, ja, die Existenz der Götter ist durch Alberichs Ring gefährdet, den der Zwerg von Fafner zurückerobern will. Das wäre zu vereiteln, wenn ein Held wie Siegmund aus freien Stücken dem Nibelungen zuvorkäme und alles Gold dem Rhein wiedergäbe. Wotan sind dazu die Hände gebunden; denn was der unwissende Riese besitzt und als Riesenwurm bewacht, steht diesem vertraglich zu. Im Ehestreit ging dem Gott allerdings auf, dass Siegmund nur als sein unfreies Geschöpf handeln und deshalb ebenfalls nichts ausrichten könnte. Brünnhilde beauftragt der Verzweifelte daher lediglich noch mit dem Geleit des demnächst Hunding zum Opfer fallenden Wälsungen nach Walhall.

(100/677)

QUELLE
Richard Wagner: Die Walküre, Zweiter Aufzug, Zweite Szene

Sebastian Vettel und ich

Vettels Pech, dass er mit seiner Auto-Passion Car-riere machen wollte. So muss er in eigenster Sache Stallgeruch ertragen statt freie Luft zu atmen. Ich möchte mein Hüttchen nicht mit seinem goldenen Käfig tauschen. Das ihm Wichtigste sollte ein Mensch in Sicherheit bringen und nicht feilbieten. Es ist unbezahlbar. Lieber als ein armer Multimillionär, der nicht fahren darf, wie es ihm gefällt, ein reicher Geringverdiener, der in die meisten seiner Tage unbestellt hineinleben darf, als wäre es ein Vorgeschmack ewiger Seligkeit. Auf diesen dürften die gehetzten und gebremsten Rennfahrer des kurzen Lebens nicht so schnell kommen. Dann womöglich zu überhaupt nichts.

(100/670)

Eine Buchempfehlung zum Umgang mit Geld

"Geld denkt nicht". Bücher, deren Titel vollständige Sätze sind, sprechen mich fürs Erste besonders an; denn das ist doch schon mal eine Aussage. Aber Vorsicht! Oft bleibt es bei kaum mehr als einem solchen Anreizspruch, und alles Übrige kann man sich sparen. Im vorliegenden Fall ist das anders. "Geld denkt nicht" mag zwar bereits als Überschrift einem Sortimentenbummler reichlich zu denken geben (etwa durch die Erinnerung an "Geld stinkt nicht"), aber der Autor Hanno Beck bietet so viel Infomaterial zur Selbsterkenntnis bei diesem auf einen überraschenden Punkt gebrachten Thema, dass sich die Lektüre des ganzen Buches beinahe unvermeidlich bezahlt macht.

(100/664)

DAS BUCH
Hanno Beck: Geld denkt nicht. Wie wir in Gelddingen einen klaren Kopf behalten; Hanser 2012; Shop

Montag, 25. März 2013

Marshallinseln

Die große Gruppe der Marshallinseln (nach dem englischen Kapitän John Marshall) ist ein Teil der mikronesischen Inselwelt im westlichen Pazifik. Sie gerieten seit Ende des 19. Jahrhunderts nacheinander in deutsche, japanische und US-amerikanische Abhängigkeit. Seit den 1980er Jahren sind sie eine selbstständige Republik mit der Hauptstadt Majuro. Die USA gewähren ihnen immer noch militärischen Schutz und zahlen jährlich Entschädigungen an die Strahlungsopfer von zahlreichen Atombombentests zwischen 1946 und 1958 auf dem Bikini- und dem Eniwetok-Atoll. Heute verteilen sich rund 55.000 meist ärmlich lebende Bewohner auf eine Landfläche von gut 180 Quadratkilometern innerhalb eines Meeresgebiets von knapp zwei Millionen Quadratkilometern.

(100/745)

Eine Buchempfehlung zur sozialen Evolution

Ganz ähnlich wie "Das Prinzip Hoffnung" von Ernst Bloch, beginnt dieses Buch des berühmten amerikanischen Soziobiologen Edward Osborne Wilson mit den Fragen "Woher kommen wir? Was sind wir? Wohin gehen wir?" Das Wir ist der Schlüsselbegriff beider Gesellschafts-Denker. Und beide lassen sich von Kunst und Religion inspirieren, über eine eindimensionale, sei es naturwissenschaftliche, sei es politökonomische Fachdisziplin hinaus aufs philosophische Ganze zu gehen und den großen Wurf zu wagen. Der ist zumindest bei Wilson die Quintessenz des Lebenswerks. Es mündet hier in das Sinngebilde der "Eu-sozialität", des guten Zusammenseins. Wiederum wie in ein Gegenstück zu Blochs "Eu-topia", dem guten Ort.

(100/705)

DAS BUCH
Edward O. Wilson: Die soziale Eroberung der Erde. Eine biologische Geschichte des Menschen. Aus dem Englischen ("The Social Conquest of Earth") von Elsbeth Ranke; C. H. Beck 2013; Shop

Eine Buchempfehlung zur Finanzkrise

Der euroskeptische englische Autor John Lanchester legt mit diesem Sachbuch eine kurzweilige Geschichte der aktuellen Finanzkrise vor. Samt ihrer aufregenden Vorgeschichte seit dem Ende des Kalten Krieges. Bis 1989 hatten die kapitalistischen Staaten ihre Bevölkerungen noch überzeugen wollen, dass der "freie Westen" im Vergleich zum "Ostblock" das bei weitem lebenswertere Gesellschaftssystem sei. Seitdem jedoch lockert die Politik gegenüber der globalisierten Wirtschaft die Zügel in einem Maße, dass kein normaler Mensch sich eines auskömmlichen Lebens mehr sicher sein kann. In der Finanzwelt sind mittlerweile Exzesse möglich, die kaum noch zu korrigierende Flurschäden anrichten. Lanchester schrieb auch den sehr unterhaltsamen London-Roman "Kapital".

(100/759)

DAS BUCH
John Lanchester: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt. Die bizarre Geschichte der Finanzen. Aus dem Englischen ("Whoops!") von Dorothee Merkel; Klett-Cotta 2013; Shop

Wie pleite man sein kann

Wer kein Geld mehr hat, ist pleite. Um pleite zu sein, muss man also vorher Geld gehabt haben. Wer nie Geld hat, kann nicht pleite sein. Wer Geld schuldet und keines mehr hat, ist nicht nur pleite, sondern insolvent, also zahlungsunfähig; er kann geborgtes Geld nicht zurückzahlen. Für diese Art, pleite zu sein, wird er zur Rechenschaft gezogen. Er muss einen Offenbarungseid leisten, also beteuern, dass er kein Geld mehr hat und auch keine anderen Vermögenswerte zugunsten seiner Gläubiger. Wenn er hier einen falschen Eid leistet, begeht er eine Insolvenzstraftat, auch Bankrott genannt. Ein älteres Wort für Insolvenz ist Konkurs.

(100/636)

Konkurrenz und Konkurs könnten dasselbe bedeuten, tun es aber nicht

Konkurrenz bedeutet Wettbewerb, und Konkurs bedeutet Zahlungsunfähigkeit. Wettbewerb gibt es auf vielen Gebieten, darunter auf dem der Wirtschaft, wo man auch die Zahlungsunfähigkeit antreffen kann. Das heißt jedoch nicht etwa, dass jeder Konkurrent vor dem Konkurs stünde, obwohl diese beiden Fremdwörter auf dasselbe lateinische Wort zurückgehen, nämlich auf "concurrere", was wörtlich übersetzt "zusammenlaufen" bedeutet. Im Falle der wirtschaftlichen Konkurrenz sind es aber Unternehmen oder Volkswirtschaften, bei deren Zusammenlauf sich die stärkeren und die schwächeren Teilnehmer herausstellen. Beim Konkurs dagegen laufen nur die Gläubiger bei einem gemeinsamen, vor seiner Zahlungsunfähigkeit stehenden Schuldner zusammen, um zu holen, was noch zu holen ist.

(100/768)

Wie die Teamorder lauten sollte

Beim Großen Preis von Malaysia 2013 ist die absurde Situation eingetreten, dass der überragende Formel-1-Pilot der vergangenen drei Jahre laut Order seines eigenen Teams nicht gewinnen sollte. Diese Illoyalität hat er mit Ungehorsam bestraft und so das zählbar Beste für den Rennstall wie für sich selbst erreicht. Bloß das Siegerlächeln bei der Ehrung fiel diesmal aus. Dafür wurde zuvor dem Weltpublikum ein Überholmanöver vom Feinsten geboten: die beiden gegen Ende des Rennens gemeinsam führenden Red-Bull-Fahrer schenkten sich nichts, und der Bessere wurde Erster. Das Team sollte Sebastian Vettel gewähren lassen, solange er in diesem Sport das Maß aller Dinge ist.

(100/671)

Freitag, 22. März 2013

Der Gesegnete muss noch im Glauben wachsen (1. Mose 12)

Wanderte Terach mit kleinem Anhang noch ohne bekannten Grund aus, so tut es sein Sohn Abram bereits mit größerem Gefolge ausdrücklich im göttlichen Auftrag. So gelangt in der zweiten Generation die gesegnete Familie nach Kanaan. Während einer Hungersnot weichen die Eheleute nach Ägypten aus, wo die schöne Sarai als vorgebliche Schwester Abrams am Hof des Pharaos für das Leben ihres Mannes ihre Ehre hingibt. Gott bereinigt dieses Missgeschick, indem er dem irregeführten Pharao Plagen schickt, damit dieser die Eheleute wieder zueinander bringt. Ohne dass ihn der Ägypter wegen seiner Lüge straft, kann Abram mit zweifelhaft vermehrtem Reichtum nach Kanaan zurückreisen.

(100/673)

Donnerstag, 21. März 2013

Babylonische Verwirrung (1. Mose 11)

Vor ihrer weiteren Ausbreitung vermehrten sich die Menschen in wenigen Städten. In einer davon (Babel) wollten sie als Zeichen ihres vereinigten Machtstrebens einen Turm bis zum Himmel errichten. Gott ließ das nicht zu. Er verwirrte die Frevler derart, dass keiner mehr des anderen Sprache verstand und sie den gemeinsamen Turmbau abbrechen mussten. Seitdem gibt es eine Vielzahl voneinander entfernter Sprachgebiete. Der Semit Terach brach in jener Zeit zusammen mit seinem Enkel Lot, seinem Sohn Abram und dessen Frau Sara aus Ur in Chaldäa in Richtung Kanaan auf. Noch in einiger Entfernung von diesem Ziel, in Haran, siedelten sie sich an.

(100/643)

Aus Söhnen werden Völker (1. Mose 10)

Noah war der Stammvater aller, die nach der Sintflut die Erde bevölkerten. Noahs Söhne Sem, Ham und Jafet zeugten Kinder, deren Nachkommen sich in wenigen Generationen auf drei Erdteilen ausbreiteten, auf dem Festland wie auf Inseln. Sie gründeten große Städte, zum Beispiel Ninive, und die ersten Weltreiche, zum Beispiel das ägyptische. Der Erste, der sich in diesen Zeiten als Held einen Namen machte, war der Jäger Nimrod, ein Nachkomme Hams. Zu den Nachkommen Sems, also den semitischen Völkern, gehören die Aramäer und die Hebräer. So sehr sich alle Völker auch auseinander lebten, taten sie es doch als die eine Menschheitsfamilie.

(100/638)

Messbarkeit des Nichts

Das Nichts kann man sogar am allerleichtesten und allergenauesten messen; denn keinerlei Messgerät zeigte bei ihm einen Ausschlag. Exakter Messwert Null allenthalben. Man muss noch nicht einmal eigens eine Messung vornehmen, sondern kann sich das sichere Ergebnis von vornherein denken. Aber zugegeben: Dass das Nichts nichts misst, ist leicht verwechselbar damit, dass es nicht messbar sei. Seine überaus bestimmte Maßlosigkeit suggeriert das Missverständnis seiner Unermesslichkeit. Es ist allzu verlockend, in das Nichts irgendetwas hineinzugeheimnissen, statt immer nur den schlichten Befund zu wiederholen: Das Nichts ist nichts und sonst nichts. Viele bleiben neugierig selbst dann, wenn sie angeblich nichts mehr erwarten.

(100/729)

Mittwoch, 20. März 2013

Ahnung haben

Was einem Ticula nicht alles abnimmt! Ich wollte schon immer einen Verein gegen ahnungsloses Wissen gründen. Allem sogenannten Wissen geschehen Ahnungen, Besinnungen, Fragen, Bedenken, Widersprüche, Blamagen usw. gerade recht. Jedes "verständliche" Artikulieren von Wissen ist bereits ein Verschleiern, so dass es nur erahnt werden kann. Wer schreibt, übt demnach eine Kunst des Ahnen-lassens aus. Und dazu muss man selber Ahnung haben. Das zu erahnende Wissen muss einem vorschweben statt bloß vorgegeben sein. Wie könnten es, mit Kleist gesprochen, auch sonst Gedanken sein, die sich allmählich beim Reden verfertigen? Wirklich nachweisbar ist das Ahnung-haben am Artikel selber, keinesfalls an hinterlegten Referenzen.

(100/721)

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Wagners Ring – Walküre 2.1

Der "Wanderer" Wotan ist ein umtriebiger Gott. Als Wälse hat er mit einer menschlichen Frau die Wälsungen Siegmund und Sieglinde zu Kindern, mit der Urmutter Erda hat er Brünnhilde, und Vater der acht übrigen Walküren ist er durch weitere Treuebrüche gegen Fricka. Der Leidgeprüften geht er mit der Förderung des Ehebruchs bei gleichzeitiger Inzucht der Zwillingsgeschwister entschieden zu weit. Sie drängt ihn bei allem, was heilig ist, Siegmund der Rache Hundings zu opfern. Sowohl unmittelbar seine göttliche Hand als auch den Beistand der Walküre und den Zauber des Schwertes Nothung soll er von ihm ziehen. Wotan beugt sich Frickas Ordnungsruf.

(100/649)

QUELLE
Richard Wagner: Die Walküre, Zweiter Aufzug, Erste Szene

Wagners Ring – Walküre 1.3

Der Bedrohte gedenkt in der Nacht vor Hundings Vergeltung, dass sein Vater ihm einmal für den Notfall ein Schwert verhieß. Im Ehegemach hat die Frau ihrem Mann ein starkes Betäubungsmittel verabreicht, um unbehelligt mit dem anderen beratschlagen zu können. Die beiden Wachenden erkennen sich als Geschwisterpaar wieder. Sie erzählt dem Geliebten von ihrer erzwungenen Vermählung mit Hunding, bei der ein Wanderer die Aufmerksamkeit der Hochzeitsgesellschaft mit einem Schwert erregt habe, das er bis zum Heft in die Esche stieß und für den Stärksten als Waffe bestimmte. Als dieser erweist sich jetzt der Bruderbräutigam, der von ihr den Namen Siegmund annimmt.

(100/662)

QUELLE
Richard Wagner: Die Walküre, Erster Aufzug, Dritte Szene

Wagners Ring – Walküre 1.2

Heimkehrend, trifft Hunding den Fremden bei seiner Frau an, die dem Bewaffneten getreu berichtet. Er bekräftigt die Gastfreundschaft; zugleich wundern ihn die ähnlichen Gesichtszüge bei Ehefrau und Bewirtetem. Dieser stellt sich aufgefordert als Wölfing vor, dessen Mutter früh von Feinden des Vaters erschlagen worden sei. Die Zwillingsschwester habe man damals verschleppt. Die Mörder hätten Vater und Sohn noch lange nachgestellt, bis der alte Wölfe nach vielen erfolgreichen Abwehrkämpfen plötzlich entschwunden sei. Er, der junge, habe zuletzt für die Würde eines Mädchens gegen dessen Sippe bis zum Waffenbruch gekämpft. Hunding fordert nach diesen Auskünften den als Erbfeind enthüllten Flüchtling zum Duell.

(100/715)

QUELLE
Richard Wagner: Die Walküre, Erster Aufzug, Zweite Szene

Schwangerschaftsabbruch nach Vergewaltigung

Von einer Schwangerschaft nach Vergewaltigung sind drei Menschen unmittelbar betroffen: der Vergewaltiger als Übeltäter, die Schwangere als Opfer einer Straftat und das Kind als vorgeburtliche Leibesfrucht. Wer wollte bestreiten, dass ein Vergewaltiger zur Rechenschaft zu ziehen und seiner gerechten Strafe zuzuführen ist und dass jedes Menschenkind ein Recht auf Leben hat? Dagegen handelt es sich bei einer ungewollten Schwangerschaft um einen Konfliktfall, den als solchen bereits die betroffenen Frauen oft mit sich austragen, und zwar unter allen Umständen. In einem solchen Konflikt mag ihr von einer Entscheidung gegen das Leben des Kindes abzuraten sein, doch darf sie ihr niemand verdenken.

(100/700)

Dienstag, 19. März 2013

Wagners Ring – Walküre 1.1

Gegen Ende eines Unwetters findet ein abgekämpfter Mann Zuflucht in einem um eine mächtige Esche gebauten Haus. Ohne jemanden zu gewahren, legt sich der Unbewaffnete erschöpft nahe dem Herd auf ein Bärenfell. Eine Bewohnerin entdeckt den halb Eingeschlafenen, der, leicht aufgeschreckt, um Wasser bittet. Sie bringt es ihm und labt ihn anschließend noch mit Met. Dann macht er sich sofort wieder zum Aufbruch bereit, indem er der Barmherzigen erklärt, sie nicht in sein Unglück hineinziehen zu wollen. Aber die Gastgeberin, die sich ihm als eines Hundings Ehefrau vorgestellt hat, deutet an, dass auch sie von einem schweren Schicksal geschlagen sei.

(100/650)

QUELLE
Richard Wagner: Die Walküre, Erster Aufzug, Erste Szene

Montag, 18. März 2013

Wagners Ring – Rheingold 4

Alberich muss seiner Freiheit opfern, was ihn groß machte: alles Goldgeschmeide samt Tarnhelm und zumal dem Ring, dem Zauberreif der Macht. Der Nibelung legt seinen Fluch darauf. Es bedarf des Mahnworts der allwissenden Erda, um nun auch Wotan zu bewegen, die abgepresste Machtfülle weiterzugeben. Die so für Freia entschädigten Riesen werden sich über ihre Anteile nicht einig, und Fafner tötet Fasolt. Der entsetzten Göttersippschaft bleibt ihre schuldenfreie, von Wotan geheimnisvoll benannte Burg, der sie nach einem reinigenden Gewitter auf einer Regenbogenbrücke entgegenschreiten: Walhall genügt zu ihrem Glück – fürs Erste. Unterdessen klagen fortgesetzt die Rheintöchter. Wie soll das alles enden?

(100/706)

QUELLE
Richard Wagner: Das Rheingold, Vierte Szene

Wagners Ring – Rheingold 3

Mit seinem Berater, dem listigen Feuerspieler Loge, steigt Wotan zu den Nibelungen herab, wo sie auf Mime treffen. Unter dessen Bruder Alberich ist dank der erworbenen Macht aus dem Zwergenreich ein Zuchthaus geworden. Immer mehr Gold häuft das Volk für den Peiniger auf, der sich noch unheimlicher gebärdet, seit Mime ihm einen Tarnhelm schmieden und übergeben musste. Als Alberich sichtbar und misstrauisch vor den Göttergästen auftaucht, lässt er sich dennoch nicht lange bitten, seine Zauberkunst vorzuführen. Nacheinander verwandelt er sich in eine Riesenschlange und einen Frosch. Den bekommt Loge zu fassen, und der Herr der Unterwelt gerät in Wotans Gewalt.

(100/665)

QUELLE
Richard Wagner: Das Rheingold, Dritte Szene

Sonntag, 17. März 2013

Wagners Ring – Rheingold 2

Hoch im Gebirge ist dank einer Riesenarbeit eine Götterburg entstanden, wofür Wotan den Riesen eine Frau versprochen hat, nämlich Freia, die Schwester seiner Göttergattin Fricka. Ernstlich will er die Versprochene nicht hergeben; denn sie sorgt für der Götter ewige Jugend. Die Vertragspartner Fasolt und Fafner sind empört, hören indessen von dem Vorhaben Wotans, auf Bitten der Rheintöchter dem Nibelungen Alberich das Rheingold wieder zu entwenden. Über dieses erfahren die Riesen derart Verlockendes, dass sie dafür die begehrte Freia nur als Pfand nehmen. Wotan und den Seinen bleibt nichts übrig, als die für das Götterleben wichtige Verwandte in kürzester Frist auszulösen.

(100/680)

QUELLE
Richard Wagner: Das Rheingold, Zweite Szene

Samstag, 16. März 2013

Wagners Ring – Rheingold 1

Der garstige Alberich aus dem unterirdischen Zwergenreich der Nibelungen beobachtet in den Wogen des Rheins drei liebreizende Mädchen, die seine Verliebtheit bemerken und ihm auf neckische Art übel mitspielen. In ihm sehen sie ganz und gar keine Gefahr für das Gold, das sie bewachen; denn nur ein entschiedener Liebesverächter könne, wie sie Alberich erzählen, dem Rhein diesen Schatz entreißen und daraus einen Ring formen, der Macht über die ganze Welt bedeute. Doch dem Nibelungen fällt es nicht schwer, für die Ergreifung dieser Macht den Preis der Verfluchung der Liebe zu zahlen – und die Rheintöchter können dem Rheingold nur noch nachtrauern.

(100/651)

QUELLE
Richard Wagner: Das Rheingold, Erste Szene

Freitag, 15. März 2013

Liechtenstein

Das einst reichsunmittelbare Gebiet des seit 1719 so genannten Fürstentums Liechtenstein hatten ein Jahrhundert zuvor die Vorarlberger Herren von Hohenems gekauft, um einen Pufferstaat zwischen Österreich und der Schweiz zu schaffen. Beide Teilgebiete, Vaduz und Schellenberg, mussten jedoch wegen hoher Verschuldung wieder abgestoßen werden, und das niederösterreichische Adelshaus Liechtenstein griff zu. Weitere hundert Jahre später gehörte der am Alpenrhein gelegene Kleinstaat als unabhängiges Mitglied zum Deutschen Bund. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Schweiz anstelle Österreichs der einzige Zollvertragspartner. Heute gehört die weitgehend demokratisierte Erbmonarchie mit ihren 37.000 Staatsbürgern zur vertieften Freihandelszone des Europäischen Wirtschaftsraums, ohne EU-Mitglied zu sein.

Ist Macht am wichtigsten?

Die Macht ist das Wichtigste, weil nur mit ihr Gutes bewirkt und Schlechtes verhindert werden kann. Freilich kann mit ihr auch Gutes verhindert und Schlechtes bewirkt werden. Es gehört zum Wesen der Macht, dass ihr alles möglich, dass sie allvermögend, allmächtig ist. Sie mag sich bändigen lassen, aber nur mit Macht. Es ist ähnlich wie mit dem Geld, das ebenfalls ein reines, auf beliebige Weise verwendbares Vermögen darstellt, durch das die Macht vielleicht sogar am reinsten verkörpert wird. Allerdings verdankt Geld seine Geltung einer politischen Macht, die für seinen Wert garantiert, und zwar notfalls mit dem Machtmittel der rohen Gewalt.

100 Wörter, 648 Zeichen

ZITAT
Die Macht ist an sich nichts Böses, aber sie verführt den Menschen sehr leicht dazu, Missbrauch mit ihr zu treiben, und dann wird sie böse.
(Konrad Adenauer, Parteitagsrede von 1948)

Mittwoch, 13. März 2013

Ist das Gespräch am wichtigsten?

Ein Standardwerk des Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun trägt den Titel "Miteinander reden". Miteinander, nicht gegeneinander, auch nicht aneinander vorbei, ganz zu schweigen vom Andere-nicht-zu-Wort-kommen-lassen. Von einem Miteinander-reden kann nur die Rede sein, wo die Teilnahme aufmerksamer Zuhörer am wechselseitigen Fragen und Antworten einen Redefluss entspringen und ins Meer der Sprache münden lässt. Dann ist das Ergebnis ein Gespräch, das niemand geführt hat, das aber gerade deshalb von größter Bedeutung sein kann. Denn die voneinander Hörenden können in jedem solchen Glücksfall etwas von dem bemerken, was Friedrich Hölderlin im Gedicht "Friedensfeier" zu diesem Ende gewendet hat: Wir sind ein Gespräch.

100 Wörter, 739 Zeichen

ZITAT
Sprache ist nur im Gespräch das ganz, was sie sein kann.
(Hans-Georg Gadamer, Behandlung und Gespräch)

SIEHE AUCH
Gespräch über das Wichtigste

Dienstag, 12. März 2013

Ist jedes am wichtigsten?

Jedes ist das Wichtigste; denn um jedes dreht sich alles. Jedes ist je der, je die, je das. Jeder Teil, jede Einzelheit, jedes Stück. Jeder Gegenstand, jede Angelegenheit, jedes Thema. Eigentlich gibt es keine Qual der Wahl, keine Verlegenheitslösung und schon gar keinen Fehlgriff, wenn es darum geht, sich dem zu widmen, worauf es ankommt. Ohnehin verschlägt es uns so gut wie immer woanders hin, als wir gewollt haben. Es kommt zu viel dazwischen. Aber der Zufall des Zwischenfalls ist jedenfalls der Ernstfall, der uns so willkommen sein darf wie das Vorausberechnete oder sehnlich Erwartete. Unumgänglich treffen wir ins Schwarze.

100 Wörter, 635 Zeichen

ZITAT
Das Andere ist nichts anderes als das Andere.
(Nikolaus von Kues, Das Nicht-Andere)

Ist das Sterben am wichtigsten?

Das Sterben beginnt schon am Anfang des Lebens. Nicht nur, weil viele Kinder tot geboren oder Embryos abgetrieben werden, sondern weil sich bereits ganz früh im Organismus Vorgänge abspielen, die auf das Ende des Lebens zutreiben. Insofern klingt es untertrieben, uns sterblich oder Sterbliche zu nennen – wir sind durch und durch Sterbewesen. Wir sterben ein Leben lang, egal, ob wir das Entwicklung, Reifung, Älterwerden, Vergreisung oder Siechtum nennen. Die eigentliche Lebenskunst besteht daher in der Kunst des Sterbens. Sie will erlernt sein und wendet die Not mit dem Tod und dem Sterben, die wir sonst allzu gern bloß verdecken.

100 Wörter, 643 Zeichen

ZITAT
Philosophieren ist Sterbenlernen.
(Platon, Phaidon)

LITERATUR
Stanley Keleman: Lebe dein Sterben, Iskopress

Montag, 11. März 2013

Ist der Tierschutz am wichtigsten?

Menschen sind Lebewesen mit dem Talent, alles in Obhut zu nehmen. Mit allem so umzugehen, als wäre es Gottes Schöpfung oder gar Gott selbst in unterschiedlichsten Facetten. An den Tieren lässt sich dieses Talent wohl am ertragreichsten erproben. Es gibt unwiderstehlich sympathische Tiere, die wir mit Tierliebe zu überschütten drohen, und es gibt äußerst lästige, die wir ohne Pardon zu vertilgen trachten, so dass man meinen könnte, Tierliebe solle teilbar sein. Doch die Grenze zwischen Liebens- und Hassenswertem verläuft nicht mitten durch Gott oder die Natur, sondern zwischem dem, der sein Talent zur Obhut vermehrt, und dem, der es vergräbt.


ZITAT
Mögen alle lebenden Wesen von Schmerzen frei bleiben.
(Altindisch)

LITERATUR
Antoine F. Goetschel: Tiere klagen an; S. Fischer

Ist Geld am wichtigsten?

Mit den meisten der mehr oder weniger unentbehrlichen Dinge versorgt sich heutzutage weder der einzelne Mensch selber noch tut das eine einzelne Familie, Sippe, Dorf- oder Stammesgemeinschaft. Die für alle Bedürfnisse ausreichende Güterproduktion ist Sache der ganzen Gesellschaft geworden, sogar über Landesgrenzen hinweg. Diese Güter werden also nicht für den Eigenbedarf des jeweiligen Produzenten hergestellt, sondern für den Weltmarkt, auf dem sie jeder erwerben kann, der bereit und imstande ist, den angegebenen Preis zu zahlen. Der Preis ist ein auf dem Markt ausgehandelter, veränderlicher Geldbetrag. Unter diesen Bedingungen gehört es zum Wichtigsten, auf irgendeinem gangbaren Weg an gültiges Geld heranzukommen.

100 Wörter, 730 Zeichen

ZITAT
Geld regiert die Welt.
(Sprichwörtliche Redensart)

Bin ich am wichtigsten?

So ist das: Alle denken an sich, nur ich denke an mich. Oder: Ich bin das Wichtigste in meinem Leben, aber nicht im Leben der anderen. Gewissermaßen ist jeder Mensch das "Ein und Alles" und zugleich nichts anderes als diese Einbildung, also so gut wie gar nichts. Das "ich" ist zwar nur zufälligerweise, aber auch sinnigerweise ein Teil des Wortes "nichts". Alles andere, sogar meinesgleichen, kommt mir fassbarer vor. Im Vertrauen darauf, für die anderen jemand ihresgleichen zu sein, kann ich eigentlich zufriedengestellt von mir absehen; denn immer nur dann, wenn ich nicht selbst dazwischenkomme, scheint mein Lebenssinn unabgelenkt erfüllbar.


ZITAT
Das Ich setzt sich selbst als beschränkt durch das Nicht-Ich.
(Johann Gottlieb Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre)

Sind Kinder am wichtigsten?

Die Kindheit ist im erfülltesten Sinn der Werde-Gang des menschlichen Lebens. Bereits das vorgeburtliche Werden des Kindes gehört zum Liebenswürdigsten auf unserem Planeten. Wenn schon die erwachsenen Menschen nurmehr spirituell in der Lage sind, zu "werden wie die Kinder" (Matthäus 18,3), dann bleibt ihnen immerhin – als Eltern, Pädagogen und überhaupt als Gesellschaft, in der Kinder groß werden – die Hochschätzung der Entwicklungsjahre, die auf jedem Gebiet der Begegnung mit Kindern die angemessene Form liebenden Respekts auszuschöpfen hat. Wie viel davon abhängt? Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich im Blick auf jede Zukunft zu der Antwort gelange: alles.

100 Wörter, 676 Zeichen

ZITAT
Jedes Kind ist ein Zeichen der Hoffnung für diese Welt.
(Aus Kamerun)

Ist Freiheit am wichtigsten?

Der eine meint zu wissen, dass wir es nicht sind, der andere möchte darauf wetten, dass wir es sind: frei. Ich halte es hier wie bei jeder "ewigen" Streitfrage mit einer typisch salomonischen Urteilsform: der eine hat recht und der andere auch. Wir sind so frei, dass wir nicht aufhören, an uns selber und in der Gesellschaft Unfreiheiten zu bemerken, zu beklagen, zu bekämpfen, zu überwinden, zu erdulden, zu verharmlosen, zu mildern, auszunutzen oder was uns auch immer dazu in den Sinn kommen mag. Dass wir auf unsere Freiheit wetten können, ist ein praktischer Freiheitsbeweis, jeder theoretischen Widerlegung zum Trotz.


ZITAT
Der Mensch ist frei geboren, und überall liegt er in Ketten.
(Jean-Jacques Rousseau, Gesellschaftsvertrag)

Sonntag, 10. März 2013

Ist das Lesen am wichtigsten?

Wer das Lesen, diese vervollständigende Gedankenübertragung, einmal lieben gelernt hat, – um welchen Preis wollte der es noch missen? Ich meine kein beiläufiges Lesen, sondern das ausschließliche, bei dem, wenn es aufmerksam ausgeübt wird, jedesmal eine ganze Vorstellungswelt sich aufbaut, die nicht flüchtig, wie etwa ein Traum, vorüberzieht, sondern ganz nach Belieben des Lesers gegenwärtig zu bleiben vermag, je nachdem, wie er den Lesestoff dreht und wendet, auf sich wirken lässt und begutachtet. Ich pflege jeden Lektüretermin zu feiern wie einen Gedenktag und lasse nur selten irgend einen Tag keinen solchen sein. So ernst ist es mir mit diesem Freudentaumel.

100 Wörter, 675 Zeichen

ZITAT
Wir wollen weniger erhoben und fleißiger gelesen sein.
(Gotthold Ephraim Lessing, Sinngedichte)

Ist Wärme am wichtigsten?

Von Wärme spricht man in der Physik bei jeder Temperatur, auch bei extremer Hitze oder Kälte. Mit unserer Haut empfinden wir etwas leicht als zu warm oder zu wenig warm. Dass es Hitze- oder Kältetote geben kann, können wir uns wegen der Temperaturschwankungen gut vorstellen; von einem Wärmetod pflegt wiederum nur im wissenschaftlichen Sprachgebrauch die Rede zu sein. Bei Kälte kann man sich warm anziehen und bei Hitze sich im kälteren Wasser abkühlen. Derart Verwöhnte leben bei angenehmen Durchschnittstemperaturen, die sie oft für so selbstverständlich halten, dass sie kaum noch zu schätzen wissen, wie wichtig Menschen ein hauchdünnes Wärmespektrum ist.

100 Wörter, 666 Zeichen

ZITAT
Wärme ist etwas, das wir alle brauchen
(Anaïs Nin, Absage an die Verzweiflung)

Ist Nahrung am wichtigsten?

Die Nahrung ist unter den lebenswichtigen Verbrauchsgütern der verzehrbare Teil. Bei Mensch und Tier ist sie so wichtig wie die Luft zum Atmen. Wie wir ohne Atemluft ersticken, so verhungern oder verdursten wir ohne feste oder flüssige Nahrung. Allerdings ist die Nahrung nur bedingt zum Verzehr geeignet. Der Organismus muss sie verdauen und die für die Lebenserhaltung nicht verwertbaren Nahrungsbestandteile ausscheiden können. Bei allzu verdorbener Nahrung sind lebensbedrohliche Vergiftungen die Folge. Auch ein Zuviel von bestimmten Nährstoffen ist ähnlich wie die Überdosis einer Arznei ungesund. Die unterschiedlichen Ess- und Trinkgewohnheiten der Menschen zeitigen nicht zuletzt entsprechend diesen Lebensbedingungen unterschiedliche Lebenserwartungen.

100 Wörter, 767 Zeichen

ZITAT
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
(Bertolt Brecht, Dreigroschenoper)

Freitag, 8. März 2013

Hai

Der Haifisch heißt Hai, weil seine zweilappige Schwanzflosse den Eindruck eines Hakenpflugs (gotisch: "hoha") macht. Nur wenige der fünfhundert Arten von Haien sind Fleischfresser, und weltweit werden jährlich nur circa fünf Menschen Opfer dieses Raubfisches, der in Steven Spielbergs Kino-Thriller "Der weiße Hai" von 1975 als weitaus gefährlicheres Ungeheuer dargestellt wird. Dieser schlechte Ruf hängt ihm auch an, wo von skrupellosen Finanz- und Immobilienhaien die Rede ist. Als weiteres Hai-Light hat sich der Beginn der Moritat von Mackie Messer aus Bertolt Brechts "Dreigroschenoper" (1928) ins kulturelle Gedächtnis eingeschrieben: "Und der Haifisch, der hat Zähne / Und die trägt er im Gesicht".

(100/711)

QUELLE
Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (Akademie Verlag 1993)

Proust: Ihre Lieblingsfarbe?

Die Farbe "golden" hat es mir besonders angetan, dieses warme Rapsgelb, dem es die schwarz-rot-goldene deutsche Trikolore verdankt, auch für viele neutrale Beobachter eine Augenweide zu sein. Genauso gut wie auf diese dritte Nationalfarbe könnte ich mich aber auch auf die Mischfarbe der Apfelsaftschorle berufen, eines meiner liebsten Kaltgetränke. Ein wenig dürfte es eine Trotzreaktion gewesen sein, dass ich irgendwann nicht nur auf Gold als Lieblingsfarbe gekommen, sondern auch dabei geblieben bin; denn manche meinen, Gold sei gar keine Farbe. Mir genügen als Belege die meisten Rembrandt-Gemälde und ostkirchlichen Ikonen. Deshalb bin ich aber längst nicht allem verfallen, was glänzt.

Donnerstag, 7. März 2013

Proust: Ihr größter Fehler?

Über meinen größten Fehler, den ich übrigens gar nicht eindeutig zu benennen weiß, spreche ich nicht mit jedem. Ohne Fehl und Tadel bin ich jedenfalls nicht. Ich bin keiner und will auch keiner sein, der sich selber seine Fehler nicht eingesteht. Auch vor anderen will ich nicht unfehlbar tun. Ebenso wenig wie die Selbstzweifel rechne ich den Umstand mir als Fehler an, nicht gut für mich werben zu können. Einen mittelgroßen Fehler will ich hier bekennen: dass ich zu wenig mit den anderen Menschen den Augenkontakt pflege; das ärgert mich sehr an mir. Ich nehme mir hiermit wieder Besserung vor.

Proust: Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?

Am meisten schätze ich bei meinem besten Freund, dass er mein Bildungspartner sein will, im Vollsinn dieses Wortes. Nicht mein Schüler oder Lehrer, sondern ein Studienkollege, der mit mir zusammen Bildungswege beschreiten will, von denen es nicht nur ein paar allgemeine gibt, sondern kaum überschaubar viele besondere nach Maßgabe der sich verzweigenden Lebenswege unserer Freundschaft. Als derart freundselige Bildungspartner folgen wir deshalb nicht dem einen oder anderen Bildungsplan, sondern unabsehbaren Bildungsmöglichkeiten. Unser Zusammenhalten ist ein offenes Lebenskunstwerk, ein Bildungsroman ohne Gattungsmuster. Was Bildung überhaupt ist, loten wir auf eine Weise aus, als wären die ersten Menschen auf dem Weg dorthin.

Ist der Glaube am wichtigsten?

Gläubige hegen Zweifel, haben aber Herz und Mut, die Zweifel einzuklammern. Kleingläubigen wie Nichtgläubigen fehlt dieser Mut. Ungläubige dagegen sind ebenso bekennerisch wie Gläubige; denn wie diese an ihrem Glauben hegen sie Zweifel an ihrem Unglauben. Beide fangen in Glaubensangelegenheiten Feuer. Sie gehen für eine Lebensentscheidung in die Offensive; das macht ihren Bekennermut aus. Es bedarf eines Outings, um sicher zu gehen, dass man gläubig oder ungläubig ist; Andersgläubige, ob gläubig oder ungläubig, sollen einen hören. Bei Kleingläubigen und Nichtgläubigen ist man sowieso ein Rufer in der Wüste. Glaubensstreit ist heiliger Streit – aber bitte mit rauchenden, nicht mit eingeschlagenen Köpfen!

100 Wörter, 716 Zeichen

ZITAT
Ich glaube; hilf meinem Unglauben!
(Bibel, Markusevangelium)

Mittwoch, 6. März 2013

San Marino

San Marino, knapp fünfundzwanzig Kilometer südwestlich von Rimini gelegen, wird von italienischem Gebiet umschlossen. Der Kleinstaat ist die älteste Republik der Welt. Auf den sich hier gut 750 Meter erhebenden Monte Titano soll der namengebende heilige Marinus zusammen mit Gefährten Anfang des vierten Jahrhundert vor einer Christenverfolgung geflüchtet sein. Durch die Zeiten hindurch verstand die Siedlungsgemeinschaft mit großem Geschick ihre politische Eigenständigkeit zu bewahren. Heute leben rund 30.000 San-Marinesen auf 61 Quadratkilometern einer malerischen Hügellandschaft, verteilt auf etliche Kommunen. Die größten sind Serravalle und Borgo Maggiore, gefolgt von der Hauptstadt San Marino-Città. Alljährlich kommen zwei Millionen Touristen zu Besuch.

Übertragbarer Tetris-Stress

In dem Computerspiel-Klassiker Tetris sind die verschiedenen herabfallenden Blöcke wie die Laufkundschaft an einem Beratungsstand. Solange Zeit ist, sich jedem Block/Kunden mit voller Aufmerksamkeit optimal zu widmen, ist alles in bester Ordnung. Geradezu Glücksmomente stellen sich ein, wenn sich einwandfrei eines ans andere fügen lässt. Selbst für sperrigere Passanten bleibt genügend Spielraum, ihnen wenigstens einigermaßen gerecht zu werden. Sobald es jedoch hektischer wird, gerät das Ganze mehr und mehr aus den Fugen, und die eine Zeit lang wirklich schöne Dynamik des Bedienens mündet in ein Sichauftürmen von Stressfaktoren, bis man am Schalter schließlich nur noch wie der Verlierer aussieht.

100 Wörter, 709 Zeichen

Proust: Ihr Hauptcharakterzug?

Womöglich besteht mein Hauptcharakterzug im Wankelmut. Ich bin nichts richtig. Zum Beispiel kein richtiger Philosoph. Allerdings kann die Unrichtigkeit gerade kennzeichnend für einen Philosophen sein – siehe die Unwissenheit des wissenden Sokrates. Mein philosophischer Charakter lässt mich im sogenannten richtigen Leben unsicher erscheinen. Ich ernte damit durchaus Sympathien, solange nicht die enttäuschende Konsequenz des Wankelmuts an mir bemerkt wird. Ich selber bin ebenfalls von mir enttäuscht, liebe mich aber trotzdem sehr. Andere dagegen, die es nötig haben, genau zu wissen, woran sie bei jemandem sind, mag ich abstoßen. Sie haben in mir den Richtigen nicht gefunden. Damit kann ich leben.

Montag, 4. März 2013

Proust: Wer oder was hätten Sie gern sein mögen?

Fleißiger. Reicher. Berühmter. Selbstsicherer. Sportlicher. Disziplinierter. Konzentrierter. Hilfsbereiter. Musikalischer. Mutiger. Fröhlicher. Geselliger. Mannschaftsdienlicher. Zuverlässiger. Ausdauernder. Großzügiger. Aktiver. Empathischer. Treuer. Skeptischer. Praktischer. Offensiver. Männlicher. Kämpferischer. Wacher. Beweglicher. Deutlicher. Versöhnlicher. Merkfähiger. Geschickter. Glücklicher. Taktvoller. Freundlicher. Mehrsprachiger. Scharfsinniger. Sinnlicher. Listiger. Entschiedener. Versierter. Routinierter. Lockerer. Poetischer. Engagierter. Mitreißender. Lehrreicher. Wissender. Ehrlicher. Barmherziger. Kunstfertiger. Stärker. Gerechter. Konstruktiver. Besonnener. Respektierter. Moderierender. Leutseliger. Witziger. Erfolgreicher. Erleuchteter. Sozialer. Tierlieber. Umgänglicher. Unterhaltsamer. Genießerischer. Authentischer. Produktiver. Animierender. Begeisternder. Schonender. Erlebnishungriger. Überzeugender. Gastlicher. Selbstständiger. Anerkannter. Einfacher. Jesuanischer. Hegelianischer. Heideggerianischer. Cusanischer. Platonischer. Leibnizianischer. Gottgefälliger. Vorbildlicher. Beglückender. Liebenswerter. Vitaler. Tatenfroher. Sorgfältiger. Langatmiger. Prophetischer. Erfinderischer. Standhafter. Intelligenter. Gelehriger. Kooperativer. Gelassener. Gütiger. Gefälliger. Solidarischer. Väterlicher.

100 Wörter, 1345 Zeichen

Nachzügler:

Charmanter. Toleranter. Gründlicher.

Proust: Ihre Lieblingsbeschäftigung?

Am liebsten denke ich in den Tag hinein. Die gedanklichen Früh-Stücke sind mir besonders lieb und teuer. Sie ununterbrochen und langatmig weiterverfolgen zu können, hindern mich die Lebensumstände eines Sterblichen. Meist bleibt es bei Kostproben der Früchte tagesanfänglichen Denkens. Sie haben derzeit die Form von genau hundert Wörter langen "Partikeln" wie diesem hier. Ich schreibe sie dessen eingedenk, dass mein Leben Stückwerk ist und mein Schreiben dementsprechend Stückwerk (englisch: part) "in progress". So werde ich mit meiner auf Abbruch gestellten Lieblingsbeschäftigung jederzeit fertig; denn ein Fragment ist als Fragment jedenfalls ein vollendetes Werk. Dem Schicksal schlage ich dergestalt (ein) Schnippchen.

Sonntag, 3. März 2013

Proust: Ihre Lieblingstugend?

Von allen Tugenden ist mir die Liebe die liebste. Ist es denn nicht selbstverständlich, dass man am liebsten liebt? Ja, aber diese Selbstverständlichkeit steht leicht in Frage, sobald es gilt, Konsequenzen aus der Liebeslust zu ziehen. Denn nicht nur der Augenblick, sondern das ganze Leben will mit Liebe ausgefüllt sein. Dieser Liebeswille ist nur bedingt der Wille von Liebenden, unbedingt allein der Wille der Liebe selbst. Gegenüber diesem Liebesgebot kommt allerdings die Liebeslust durchaus nicht zu kurz, wo die Liebe im Sinne der gebotenen Tugend geübt wird; denn das Gebot lautet dann vollständig: "Liebe und tu, was du willst!" (Augustinus)

Proust: Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Mann am meisten?

Am meisten schätze ich an einem Mann – wie an jedem Menschen – die Wundergabe der Menschlichkeit. Sie ist ein Geschenk des Himmels, das Menschen sehr unterschiedlich in Ehren halten, je nach der Bestimmung, die den jeweiligen Mann wie auch die jeweilige Frau zu charakterisieren scheint. Die Eigenschaft der Menschlichkeit kann nach dem Eindruck, der sich einem nicht selten aufdrängt, arg verschüttet sein. Im Zweifel ist aber anzunehmen, dass sie bei jedem Menschen als seine beste Eigenschaft zutage tritt, freilich oft überraschend verschieden ausgeprägt. Die Menschlichkeit ist die Garantin der Einzigartigkeit jedes Menschen, womit es verstanden sein will zu leben.

Proust: Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einer Frau am meisten?

Dazu die Vorfrage: Was wäre ich ohne Frauen? Ich wäre allenfalls das Arbeitsergebnis einer Gebärmaschine. Weil es damals, als sich aus einem ganz besonderen Paar von Ei- und Samenzelle genau derjenige Mensch, der ich bin, entwickelte, eine solche Maschine noch nicht gab, würde ich ohne die beiden Menschen, darunter eine Frau, die mich zur Welt gebracht haben, also gar nicht existieren. Ich schätze also zumindest an einer bestimmten Frau, meiner biologischen Mutter, die Eigenschaft, Kinder gebären zu können, gewissermaßen eindeutig am meisten. Diese Eigenschaft ist nicht alles, aber ohne sie ist nichts. Andere höchst schätzenswerte Eigenschaften betreffen Frauen wie Männer.

100 Wörter, 685 Zeichen

Samstag, 2. März 2013

Proust: Ihr Lieblingskomponist?

Beethoven spricht zu mir. Deshalb liebe ich ihn mehr als jeden anderen Komponisten. Er spricht zu mir musikalisch, gerade auch in seiner reinen Instrumentalmusik. Diese teilt sich mir zwar nicht so deutlich mit wie etwa "Freude, schöner Götterfunken" oder "Wahrheit wagt ich kühn zu sagen", doch fühle ich mich bei jeder Tonsequenz der Symphonien, Sonaten oder Quartette zutiefst angesprochen und zum aufmerksamen Zuhören herzlichst eingeladen. Ich bin ein enger Freund der harmonienreich "ernsten" und "schweren" Musik des ganzen 19. Jahrhunderts nicht zuletzt im sicheren Gefühl dafür, dass sie maßgeblich von Beethovens gewaltigem Spektrum musikalischer Ideen angeregt und herausgefordert worden ist.

Proust: Ihr Lieblingsautor?

Mein Lieblingsautor ist Thomas Mann. Zu lesen, was er schreibt, ist mir ein Hochgenuss. In der Bahn lese ich ihn nicht; da pflege ich Hörbuchfassungen seiner Werke zu lauschen. Sie müssen für meinen Geschmack laut vernehmlich sein, und so lese ich sie mir selber zu Hause vor; denn die "Fülle des Wohllauts" (Zauberberg) will, wo irgend möglich, im Falle des derart Geschriebenen ähnlich wie beim Aufnehmen großartiger musikalischer Kompositionen nicht durch ein bloßes Partiturlesen entsinnlicht sein. Durchaus nicht fürchte ich mich hier einem l'art pour l'art verfallen; denn auch beachtliche Gedankentiefen und einen weiten Liebeshorizont lässt Thomas Mann mich mitbekommen.

2013-02 / Zeitgeschehen im Februar

Sowohl in Großbritannien als auch in Frankreich wird die gleichgeschlechtliche Ehe beschlossene Sache. Mitte des Monats entsteht durch die Explosion einer rund 10.000 Tonnen schweren Feuerkugel (Bolid) aus dem Weltraum oberhalb der russischen Millionenstadt Tscheljabinsk (Ural) eine Druckwelle, die schwere Schäden anrichtet und Hunderte von Menschen verletzt; zufällig kommt am selben Tag ein Asteroid (2012 DA14) der Erde besonders nahe (knapp 28.000 Kilometer). In der Vatikanstadt tritt Benedikt XVI. (85) nach nicht ganz achtjähriger Amtszeit als römisch-katholisches Kirchenoberhaupt zurück; es ist seit dem 13. Jahrhundert (Coelestin V.) das erste Pontifikat, das bereits vor dem Tod des Papstes endet.

(100/714)

Freitag, 1. März 2013

Proust: Ihr Lieblingsmaler?

Seit der Realschulzeit ist Rembrandt van Rijn mein Lieblingsmaler. Damals fand ich ihn großartig, nachdem im Ensslin-Schülerkalender die Schwarz-Weiß-Abbildung seines Gemäldes “Aristoteles betrachtet die Büste Homers“ mir vor Augen gekommen war. Aber nicht dieser Anblick löste die Rembrandt-Begeisterung aus, sondern mein Eindruck von der danebenstehenden Mitteilung, dass das Gemälde zu einem hohen Millionenbetrag versteigert worden war. Später sind mir Rembrandts Bilder immer wieder als Variationen in Gold erschienen – und Gold ist meine Lieblings-“Farbe“. Außerdem begann für mich kurze Zeit nach der Realschule das Level von Kultur und Humanität, wofür Homer, Aristoteles und Rembrandt stehen, den größten Unterhaltungswert zu gewinnen.

100 Wörter, 747 Zeichen